Vernetzung
Im Jahre 1800 wäre ich wahrscheinlich Sattler und Flickschuster gewesen. Ich hätte die Schuhe meiner Nachbarn geflickt und gelegentlich ein paar neue Schuhe angefertigt. Auch die Anfertigung und Reparatur von Zaumzeug und Ochsengeschirr wäre meine Tätigkeit gewesen. Alles was ich dazu an Werkzeug gebraucht hätte, hätte mir der Dorfschmied angefertigt. Manches hätte ich auch selbst gebaut oder mir vom Schreiner hobeln lassen. Die Rohstoffe wären 5 Kilometer weiter aus dem nächsten Dorf gekommen, aus der Gerberei, die wiederum ihre Rohstoffe wie Gerberlohe und Tierhäute aus der nächsten Nachbarschaft bezogen hätte. Meine Nahrungsmittel hätte ich von den Landwirten bekommen, für die ich das Zaumzeug und die Schuhe geflickt hätte. Mein Essen wäre von dem Acker gekommen, den die Ochsen pflügen, die mein Zaumzeug tragen und den Pflug vom Dorfschmied ziehen. Irgendwann wären diese Ochsen geschlachtet worden und wären auf dem Teller gelandet, und ihre Häute wären zu Schuhen oder Zaumzeug verarbeitet worden. Aus den Knochen hätte man Leim gekocht für den Buchbinder und den Schreiner. Alles war in einem Kreislauf aus Wiederverwertung und hoher Regionalität gestaltet.
Die damalige Vernetzung war robust und einigermaßen krisensicher. Nicht immer, aber zum Überleben reichte es meistens. Man einigte sich in Krisenzeiten auf Kredite per Handschlag. Oder kehrte einfach zur Tauschwirtschaft zurück. Bei dem damaligen Stand der Komplexität war das kein Problem.